Montag, April 27, 2009

Was ist mythos?

Die Geschichte des mythos ist gekoppelt mit dem Bewusstsein des Menschen. Der mythos in Reinform umfasst noch das gesamte menschliche Denken, von der Sinnsuche über die Welterklärung bis zum Selbstbewusstsein. Der Mensch war mitten im mythos, als Spieler des Weltspiels, und unter ihm, als Produkt der Naturereignisse, die mächtiger waren als er und ihn ängstigten.

Dort ist auch die Quelle gelegen, die Notwendigkeit eines starken mythos: Affekte, Angst. Die Angst vor der Welt, in der er lebte, und dem Bewusstsein, diese Welt erfassen zu können, ergründeten den mythos. Das dialektische Gleichgewicht dieser beiden Komponenten menschlichen Geistes geben ein seltsames, für den Menschen charakteristisches und den mythos notwendiges Gesetz: Das Verhältnis der Angst im menschlichen Bewusstsein steigt mit dem Rückgang des Wissens, und umgekehrt.

Gut aufgehoben in Sinn und Welterklärung blieb der mythos konkurrenzlos zu allen Dingen im menschlichen Bewusstsein; die Antwort nach dem Sinn des Lebens wurde schon vor der Frage beantwortet, vielmehr: die Frage stellte sich erst gar nicht.

Die Entwicklung der Sprache, gewissermaßen das Pressen der Laute in eine grammatikalische Struktur, erschuf den logos, der sogleich als Konkurrent zum mythos aufkam. Die Rettung des mythos vor dem wuchernden logos, der alternative, dem Bewusstsein in seinem Streben nach logischer Konformität schmeichelnde Erklärungsmuster für das Weltgeschehen bot, verkehrte den Sinn in neue Geltung: Die Philosophie war geboren mit der Frage nach dem Sinn des Lebens als Emanzipation des Menschen von seinen selbst erschaffenen Göttern, deren Herkunft aber längst vergessen war. Man wollte nun wissen, was sich die Götter dabei gedacht haben, und wenn diese schon als Welterklärer gegen simple, aber tragfähige Weltmasken des logos (die Theorien des Parmenides, der Atomismus Demokrits etc.) ersetzt worden waren, so war die Basis der Frage nach einem Sinn erst recht erbracht. Wobei der mythisch lancierte Begriff „Weltmaske“ durchaus so gedacht ist, denn die naturwissenschaftlichen Positionen der Antike waren oft Mythen im „naturalistischen Gewand“. Die Natur wurde zu dem Schlüssel der Klärung der nun schon quälenden Fragen der Existenz ernannt, wobei das Denken der Griechen noch nicht komplett logisch erfasst war, da sie nicht nach dem Ursprung aller Dinge fragten.

Die Rettung der alten Mythen wurden durch die Verschriftlichung vor der Zerstörung bewahrt, Homer und andere „große Griechen“ waren also keine produktiven Dichter, sondern reproduktive zur Rettung der alten Mythen, zur Beibehaltung des Status quo in dem Herrschaftssystem der Sklaverei und der Unterdrückung. Die mythischen Elemente der Ilias und der Odyssee, zurecht als Wurzel der europäischen Dichtung betrachtet, weisen vollständig die Bandbreite menschlichen Fühlens dar, gewissermaßen auf klassischem Niveau: Von den beiden ureigensten positiven Polen menschlicher Gefühle (die Liebe und die Hoffnung; nicht zuletzt auch im Christentum verifiziert) erzählen diese Zusammenfassungen der griechischen Mythologie.

Die Religionen machten sich nun den mythos zu eigen und erbauten auf diesen undifferenzierten, vagen Geschichten und Erzählungen aus alter Zeit ihr Geheimnis, welches sie attraktiv machte. Der mythos wurde eingegrenzt, moralisch umgedeutet (oder überhaupt gewertet) und in ein übergeordnetes System eingebaut. Der Monotheismus, als von psychologischen Einwänden resistenteste Religion, trat seinen Erfolgszug an - mit dem logos und dem mythos im Gepäck. Während Thomas von Aquin den logos mit dem Christentum versöhnte, erweiterten auf der anderen Seite Plotin und Meister Ekkehart das Christentum um die mythische Komponente. Der ständige Rückbezug auf den allumfassenden Gott, der sowohl mythisch als auch logisch zu begreifen ist, ja, begreifbar sein muss, ließ sowohl dem Wissenschaftler als auch dem einfachen, dem mythos nahe stehenden Menschen Zugänge zum Christentum.

Dennoch war der Siegeszug des logos nicht aufzuhalten: Die modernen Wissenschaften verdrängten den mythos aus seinen welterklärenden Funktionen, übrig blieb nur noch die Sinnstiftung. Das Warum des Sinns wurde in mehreren Stufen dekonstruiert: Erst entrückten Kepler, Galilei und Kopernikus den Menschen aus seinem geozentrischen Anthropozentrismus und warfen den Menschen mit seiner lieben Erde in eine höchst unmythische irgendeine Ecke eines unendlich großen Weltalls. Darwin entrückte den Menschen aus seiner einmaligen Position als Krone der Schöpfung und stellte ihn als vorläufigen, „nackten Affen“ einer immer fortgehenden Evolution dar. Und im letzten Jahrhundert entdeckten Physiker die Unzulässigkeit von „Gottes Plan“, dem Determinismus, und nannten dies „Unschärferelation“. Allgemein sind mythische Tendenzen innerhalb der modernen Wissenschaften zu erkennen, die sich nicht helfen können, außer zu mythischen Begrifflichkeiten und Schlüssen zurückzugreifen. Als das Warum nun überfällig wurde, fiel auch das dem Warum innewohnende Wohin.

Das (kausal unabhängige) Wohin des Sinns starb dann mit dem Existenzialismus, der den Menschen von dem Fatum befreite und ihn der nackten Sinnlosigkeit aussetzte, mit der Forderung, sich selbst einen Sinn zu geben, der nicht das Warum sondern das Wohin erklärte. Der Kampf gegen die Sinnlosigkeit, von Camus erklärt und postuliert, kann nur durch die eigene Sinnproduktion gewonnen werden.

Freud, der die mythen nach allen Regeln der Psychoanalyse sezierte und so deren Wahrheitsgehalt und Aussageabsicht auf Triebstrukturen reduzierte, deren Funktion eingangs erklärt wurden, nahm ihm so das Mythische. Durch den Überfall des logos auf den mythos, dessen Analyse und Bloßstellung, ließen ganz neue Verhältnisse im Denken der Menschen zu: Der logos wurde unbedingt bejaht, weil nichts mehr da war, was Alternative bieten könne; das nannte man dann Fortschrittsgläubigkeit.

Es musste erst die Postmoderne kommen, wo der logos sich selbst relativiert und letzlich in die Auflösung treibt, indem er die Ökonomisierung des menschlichen Handelns, also das Wirtschaften, vorantrieb und gleichzeitig den ungezügelten Wildwuchs der Wissenschaften zuließ. Alles sei relativ, ethische Programme, die umfassend sein wollten, wurden per se abgelehnt, die Freiheit des einzelnen hing als neue Sonne über der aufgeklärten Welt, die schon im 18. Jahrhundert die Mythen mit aller Macht bekämpfen suchte und ihr Programm dann "Religionskritik" nannte. Dabei geht die Entwicklung des logos so weit, dass wiederum der Mythos als Denkrichtung Einfluss gewinnen kann, durch die Überwucherung der Vernunft und der Institutionalisierung der Philosophie, die ja in ihrer Definition auch die Auseinandersetzung des logos mit dem mythos untersucht, werden alle denkbaren Lesarten der Welt wieder zugelassen. Claude Lévi-Strauss, als einer der Disputanten des strukturalistischen Lagerfeuers, identifizierte das "wilde Denken" mit dem mythos und Paul Feyerabend lieferte die dazu passende anarchistische Wissenschaftstheorie. Gleichzeitig kümmerte sich Hans Blumenberg um den mythos in seinen Extremitäten, den allgegenwärtigen und absoluten Metaphern als Explikation impliziten Wissens und schrieb neben den Strukturalisten und den wissenschaftstheoretischen Anarchisten dem mythos wieder Erkenntnisfähigkeit zu. Der mythos hat also gewisse Eigenschaften, die sich in der heutigen Forschung wieder einbringen lassen.

Die Beherrschung des mythos scheint die größte Errungenschaft des 20. Jahrhunderts zu sein und ist ohne Zweifel auf die Logisierung des mythos zurückzuführen. Wer den Zaubertrick kennt, kann ihn nachmachen, lautet das Credo der heutigen Politik. Man machte sich das unendliche Sinnpotenzial, welches der Ursprung des ersten mythos ist, zu Nutze, um eine Masse von Menschen an den intendierten Sinn zu binden und so frei über sie verfügen zu können. Das Volk, geködert mit einem viel versprechenden mythos, der sich oft auch auf alte Generationen erinnert, dem kollektiven Bewusstsein entspricht oder eines erschafft, kann in seinen Prämissen nach dem Gewinn des Volkes beliebig verstellt werden, wohin das Volk, gewöhnt und geschmeichelt durch einen so „tiefen“ Sinn, beliebig folgen wird, um nur den Sinn nicht zu verlieren. Die großen Diktatoren wussten es, Sinngefühl zu erschaffen und das Volk abhängig zu machen. Diese Abhängigkeit des Volkes von Mythen, woran wohl auch die Aufklärung gescheitert ist und immer scheitern wird, die Lüsternheit des einfachen Menschen nach einfachen Welterklärungen, werden den mythos resistenter machen als den logos, der nur dem denkenden Menschen Zuflucht bietet.

Die aktuelle Zeit, in der der logos wie ein Motor wirkt, um sich immer schneller zu drehen und die Zeit immer schneller und effizienter werden zu lassen, entwickeln sich mini-mythische Züge, Nebenentwicklungen, Parallelentwicklungen. Das Unverständnis allein der allernächsten Umgebung mit Fragen wie „Wo kommt mein tägliches Brot her?“ oder „Wie funktioniert eine U-Bahn oder das Internet?“ erinnern in alarmierender Weise an die Fragen unserer Urahnen, die sich ebenfalls täglich mit der Herkunft ihrers Essens, dem Funktionieren des Gewitters und dem allgemein Lebensunterhalt konfrontiert sahen - und sich in Mythen flüchteten.

Heideggers Reden von der „Kehre“, wo unser Denken stattfindet, ist eingetreten, denn wir sind, wenn wir denken, bei den Dingen gelandet und ziehen die Dinge nicht mehr in unser Denken. Die Materie drängte unser Denken aus unseren Köpfen und platzierte sie auf den Gegenstand. Die Technik, als vom „denkenden Wesen“ erschaffene Verwirklichung des logos, ist außer Kontrolle geraten, die keiner wird wieder einfangen können. Der Mensch als Arbeitsteiler weiß nicht mehr, was der Mensch eigentlich macht. Sie verstehen nicht mehr die Arbeit ihres Nachbarn, weil ihnen die Ausbildung fehlt und auch das Interesse. Sie verstehen überhaupt nicht, wie irgendetwas funktioniert, weil sie möglicherweise nicht mal wissen, wie ihr eigenes Leben funktioniert. „Urbane Mythen“ lautet hier das Stichwort, in der nicht nur die Technik eine dem Menschenverstand weit entfernte Welt vordringt, sondern die Gesellschaft selber Eigendynamiken entwickelt, die kein Soziologe der Welt wird erfassen können. Verarbeitet wird dies in den Medien, die die Mythen unverarbeitet wieder auf den Menschen legen und ihn so in seinem kulturellen Erbe zu ersticken drohen. Die Kunst spiegelt das, was der Mensch produziert. Da er aber nicht versteht, was er produziert, wie sein zwischenmenschliches Zusammenspiel funktioniert, versteht er auch die Kultur und die Kunst nicht mehr. Das Hantieren mit dem mythos ist das, was den mythos charakterisiert: ein Spiel mit dem Dunkel.

So sehen wir uns mit einer Welt konfrontiert, die auf altbewährte, aus dem mythos stammende Techniken zurückgreift, nämlich der Avatarbildung und Fetischisierung. Avatare als personifizierte Probleme dienen als Erklärungsgrundlage der Welt. Hitler ist der Avatar für das Böse, das absolut Inhumane, und doch nur ein einfacher Erklärungsversuch dafür, dass Menschen so sein können. Klaus Zumwinkel ist der Avatar der Steuerhinterzieher, er stirbt am Kreuz für die Sünden aller, denn es ist schwierig zu begreifen, dass man selber moralisch beschränkt ist. Marilyn Monroe, als längst verstorbene Ikone, als Avatar, als Idol von Weiblichkeit, fraulicher Ästhetik und Eleganz. Komplexe Vorgänge wie Finanzkrisen werden auf Politiker und gierige Manager reduziert, weil der durchschnittlich informierte Mensch es in seinen Alltag einbauen muss. Der Fetisch ist Ausdruck des Unvermögens der Menschen, überhaupt etwas adäquat zu begreifen. So wird sich auf technische Eleganz und Markenmode konzentriert. Gewissermaßen erscheinen auch die Religionen als ein Fetisch des modernen Menschen. Eine Flucht vor dem wilden Treiben der Moderne, der unglaublichen Haltlosigkeit, dem Taumeln, von dem Nietzsche schon zu berichten wusste.

Der mythos als Phänomen der Postmoderne erscheint also so: Instrumentalisiert, in dem Mythen konkret erschaffen werden. Reduzierend, weil aus Hilflosigkeit und Erklärungsnot komplexe Prozesse auf Avatare und Fetische reduziert werden und die eigentlichen Vorgänge nicht verstanden werden müssen. Eigendynamisch, denn der Vorgang in den Großstädten, eben dieses Leben zu begreifen, läuft hinaus auf Zynismus und Resignation, wovor der Mensch sich nur durch Gerüchte und Erfindungen retten kann, urbane Mythen. Und zuletzt erscheint und der mythos in seiner ewigen Konkurrenz dem logos gegenüber als bevorteilt; denn der logos strebt nach vorn, er muss neue Ideen finden, verwerten, vorantreiben. Er lebt von dem Fortschritt, sein Wesen ist ökonomisch, denn es gibt kein logos um des logos willen. Der mythos hat Zeit. Religionen, wiedererstarkend, hatten tausende Jahre Zeit und die alten Mythen, die sogar als Lügen und unplausible Muster entlarvt wurden, werden so intensiv geglaubt wie lange nicht. Der Mythos ist in sich geschlossen, er bietet Sinn, was vor der nackten Sinnlosigkeit und dem Beschämen schützt, unfähig zu sein, seinen eigenen Sinn zu finden, nötigenfalls zu er-finden. Der mythos ist in jeder Hinsicht glaubwürdig, denn er verdunkelt das Geschehen. Der mythos sitzt am längeren Hebel, weil er in der menschlichen Psyche vollständig verankert ist. Der logos ist im Gegensatz dazu ein bloßes Detail des menschlichen Verstandes, welches sich möglicherweise überschätzt hat.

Mittwoch, Februar 04, 2009

Die Schulglocke läutete zum Ende. Das Schülergeschrei, gestern noch fröhlich, heute seelenlos, hallte wie ein verfluchter Geist durch die Flure zu den Ausgängen. Innerhalb weniger Minuten war das Gebäude, was noch voll Kreativität, kindlichem Übermut und erwachsener Verantwortung gewesen, tot. Tot, das war auch die treffendste Beschreibung für ihn, so fühlte er sich. Er würde nach Afrika, Gefühle suchen gehen, sich selber. Doch war das ferne Land, das in ihm immer das Bild einer roten, untergehenden, aber doch noch wärmenden Sonne hevorrief, weit weg. Das tote Steingemäuer ächzte vor Einsamkeit, die es nun für viele Stunden erwartete. Er stand unter dem großen Bogen aus Kalkstein. "Gotisch", dachte er und lehnte sich erschlafft an den linken Pfeiler, während seine Augen den unregelmäßig und hässlich gemusterten Flur hinunterglitten, den er entlang gelaufen war, als er zum ersten Mal diese Anstalt, wie er sie nur noch nennen wollte, betreten hatte. Gotisch. Er schüttelte sein lichtes, graues Haupt, verschränkte die blanken Arme, die durch die hochgekrempelten Ärmel entblößt wurden. Vor wenigen Minuten, inmitten der Schüler, inmitten der Arbeit, inmitten seines Lebens war er so eloquent, wie es einem Anstaltsleiter nur möglich war, mit umwerbenden, verständnissuchenden Gesten und schuldfühligen Augen, versteckt hinter einer teuren Brille, aus eben diesem Leben gerissen. War er denn zu sicher gewesen, zu frohlockend? War er nicht der richtige Mann? Wurde er betrogen? Dem Leiter mutig seine Gleichgültigkeit vermittelt, und doch gebrochen
gewesen. Er tat einen Schritt in den langen, gefliesten Gang, ohne Hoffnung, am anderen Ende
anzukommen. Die Füße waren bleiern und der Kopf federleicht, fast haltlos. Gotisch. Er merkte, dass er noch einige Zeit bräuchte, einen Schritt zu tun, und lehnte sich mit dem Rücken an den Pfeiler. Der Spitzbogen schien zu grienen. Wie Tobias aus der 12., der ihm gerade einen Streich gespielt hatte, flaxte der Bogen mit der Eindringlichkeit einer Ewigkeit. Tot sein heißt ewig sein. "Afrika", murmelte er nicht betrübt, sondern sehnsüchtig. Afrika, das war sein Synonym für Gefühlsfindung. Für Selbstfindung. Sein Kopf berührte den Stein, die Kälte zog sich über seinen ganzen Körper, Gänsehaut. Gestern, am Abend, hatte er noch gelacht, wie dieser Bogen, dieser von ihm so betrachtete Aufstieg würde sein Leben erleichtern. Geld, Ansehen, Einfluss. Es würde ihm besser gehen. Als seine abgewetzte und abgearbeitete Ledertasche ihm aus seinen Händen glitt, konnte er erkennen, was schief lag. Sein Leben. Die Tasche sank unsanft zu Boden, die schweren Bücher zwangen sie, sich der Schlagseite zu ergeben. Sein Leben lag schief. Zuhause, weit weg von diesem toten, leeren Haus, wo die Nachlassverwalterinnen eines Zimmermannes immerzu groteskes Theater spielten. Wartete dort nicht Afrika? Das Geräusch von Schritten, was sich ihm tief in die Seele eingebrannt hatte, seine beste Freundin und Kollegin nannte es eine Berufskrankheit, zwangen ihn, sein Menschsein zu verlassen und wieder Lehrer zu werden. Schnell griff er nach der Tasche, drehte sich vom Bogen weg, als ginge er den Gang entlang. Am Ende dieses Raumes erschien der Beförderte. Schweißperlen reflektierten auf dessen Stirn die Angst, die in ihm aufstieg, als der sich ihm näherte. Die Augen trafen sich, die kleinen, stresserfüllten, unsicheren Augen des Beförderten huschten über sein Gesicht, das eine Emotion suchte. Afrika. Den Stapel an Arbeit, den er umfingerte, entwich seinen nassen Griffeln und die Blätter verteilten sich auf dem Muster. Ungeachtet der Bemühungen des Beförderten um Schamreduzierung ging er weiter, tot. Nervös und unregelmäßig verstummten die Schritte unter der Wölbung. Er drehte sich um, dem Beförderten nachsehend. Gotisch, dachte er, doch erschien ihm der Bogen nun nicht länger verlachend, als vielmehr traurig. "Ich gehe nach Afrika", flüsterte er dem Flur zu und verließ das tote Haus. Ein Glockenschlag, doch nun ganz anders als zuvor.

Donnerstag, Mai 01, 2008

Tief tauche ich ins Meer
Tiefer noch als in die Stille.
Die vergessene Feuersbrunst,
die die Sonne sein wollte.
Vergesse den Tod,
gebracht, verlacht, gemacht.
Rücksichtslos ergötzen die Diener
Am Blut der Menschen sich.

Eine leise Schwere trägt behäbig,
erfasst die Mutter mit dem Kind,
trägt sich behäbig.
Der Wind, der Wind!
Das himmlische Teufelskind.
Todesfinger ohne Sühne!
Lebenlasser mit Reflex!

Von allem keine Ahnung,
von allen nicht verlassen,
beten und verheulen sich,
die Menschen die sich Nonnen nennen.

Die Planke des Kalten ist des Bösen Kind
Der guten Menschen.
Gut und Böse haben Kinder!
Vereint, verewigt, verhasst.

Das Leben ist kein Leben!
Es ist Nichttod auf Zeit.
Schön und doch zu grausam
Kotzen wir die Natur zu Grunde.

Wer das Gute kennt, will das Böse,
sich im Taumel der Erfüllung aller
Sehnsüchte
Selbst erfinden.

Jeder hasst sich selbst am wenigsten,
solange er Menschen hat, die er
hassen kann.
Jeder Mensch ist hassbar!

Alle Laster, die ein Laster sind,
zerfressen von Gutmenschen und Heilstätern,
sind bei denen, die erkannten,
das Höchste.

Hasst die Welt!

Es ist das größte Verbrechen
An Existenz und
Verstand.
Es ist Verrat!

Dunkle Nebelschwaden ziehen.
Es ist heiß auf Venus.
Schlammbohrer wälzen lustverliebt
Und suchen den schmalen Pfad
Zum Glück.
Neben dran das Wasser,
in seinem Element,
flüssig.
Ein Fluss ohne Strömung,
eine Strömung ohne Fluss.
Und doch ist Stillstand Rückschritt!
Oder Fortschritt in andere Gefilde?

Sterbende sind sympathisch.
Als Ignoranz der Dummen
Sterben sie nur für sich.

Vor, zurück, vor, zurück, vor, zurück, vor, zurück, vor, zurück, vor, zurück, zuvor –
Rückschritt ist Fortschritt! Stillschritt ist Rückstand! Fortbestand ist Arbeit!

Kennt ihr noch eure Parolen?

Liebsames Entfernen der bösen Macht
Liebsames Entfernen der großen Zunft
Liebsames Entfernen der bissigen Hunde
Wie mir
Liebsames Entfernen des Lebens!

Zurück, zuvor, zurück, daneben –
Fortschritt ist Stillstand!

Meine Herren Geschworene!
Ich nehme Sie bei ihrer nassen Hand
Und bei ihren leeren Worten!
Fliegen Sie, fliegen Sie davon!
Fliehen Sie, fliehen Sie davon!
Das Gericht richtet Sie ohne Sie!
Fliehen Sie zum Fluchtpunkt!

Und farbenfroh
Und doch Schwarz und weiß
Schiebt sich die Eruption an
Lust und Unlust
Quälend durch die Gassen

Ich will nicht die Eruption! Ich will... den Ascheregen.

Scheiße und Leichen zieren den Weg
Der bis zur Himmelstür führt.
Der Schlüssel ist egal.
Das Tor bleibt denen verwehrt,
die begreifen.

Und ich begriff

Freitag, März 28, 2008

Hans im Glück, existenzial-philosophisch ausgelegt


Ein des in-die-Welt-Geworfenen Daseins des Hans ward nach sieben Jahren von Aufreibung in Arbeit der Lohn gegeben worden. Des Daseins Bewusstsein konzentrierte sich in höchstem Maße auf das Seiende, welches ein anderes Dasein ihm gegeben. Nun machte er sich in die Summe des Seienden auf zur der Erzeugerin seines Seins. Durch das ursächlich Sich-vorweg-schon-sein-in-der-Welt betreffliche Wirken des Daseins des Hans betraf sein Sein das des sich ihm nähernden Daseins. Ein Handel vollzog sich seiner Selbst in der Geworfenheit und Wesenshaftigkeit seines Seins an sich. Dadurch erhielt also unser Hans ein „equus ferus caballus“, ein Seiendes, kein Dasein. Die phänomenologische Analyse die von unserem Dasein Hans vollzogenen Situation ergab einen Vorteil für das Dasein, doch als Repressalie für den intersubjektiven Diskurs, wodurch iterum die durch subjektivistische Determiniertheit verursächtlichte Fehleinschätzung zur Bestätigung kam. Ferner liefen folgende, sehr ähnliche Seinsverwechslungen statt: Ein Tausch von Wertigkeiten aller Art, speziell der Nützlichkeit der Tiere im relativistischen Kontext zu der Erschwerlichkeit des Daseins Hans. So tauschte dies Dasein, noch immer in seiner subjektivistischen Determination geworfen, das zuvor bereits als vom an die Objektivität nahende Urteilsfähigkeit des allgemeinen wissenschaftlichen Diskurses als Misshandel benannter Tausch war, das equus gegen das bos, das bos gegen das sus, das sus gegen die anser. Und dieses letztschlussendlich gegen einen im Informellen „Schleifstein“ benannt. Das Dasein Hans ließ Seiendes Seiendes sein, wertete alle Werte um, überwand den Nihilismus des materiellen Fixiertseins (genau genommen war es ein klassizistischer Historizismus) auf die Summe allen Seiendes und stieg sodann eine höhere Sphäre der moralischen Grundnatur und wollte ein Exempel statuieren.

Mittwoch, Februar 06, 2008

Beziehungen

Wer über Beziehungen nachdenkt, kommt zum Schluss, oder zumindest zu der intuitiven Versuchung, dass alles falsch läuft. Oder zumindest, dass es besser sein könnte. Man erfährt die Unzulänglichkeiten beider. Und ermüdet. Ich höre also auf, darüber nachzudenken, was vielleicht ein Fehler ist, denn was bleibt innerlich neben dem Denken, was wir bewusst steuern? Nichts. Gefühle sind mir ein naturalistisches Rätsel und ich habe sie nicht gern in mir, weil sie kompliziert und verbaut und sowieso nicht deutbar sind. Ich habe nicht gern Unberechenbares in mir, doch bin ich davon abhängig.

Samstag, Juli 28, 2007

Schocken möchte ich euch! Euch alle! Gehören möchte ich in die Ahnengalerie der Plötzlichen, ein Verstoß gegen unser kulturelles Erbe und eure moralischen Norm! Klein sein, wahr sein, einer unter Tausend. Anders denn euch anderen, die wissen, dass sie falsch sind und groß sind und es nicht wissen wollen. Leugnen, ignorieren, das ist euer täglich Brot.

Den anderen sage ich: Bleibt euch gewahr, ihr da unten lacht die da oben von da unten aus, und doch seid ihr die, die am moralischen Busen eure Sucht aufschieben, bis zur nächsten Sucht. Der Neid, der euch treibt, ist krank und nicht gesund. Erkrankt seid ihr, ihr armen Wölfe, die das fette Lamm in Scheinen jagen und zu fetten Lämmern werden, wenn sie satt bleiben. Euer Neid ist eure Kraft, euer Hass ist eure Lust. Labt euch an der emotionalen Niederlage derer, die oben stehen und herunterfaulen, unwissend ob der Gefahr, die euch dort drunten droht.

Die, die oben stehen, eingedeckt in teuren Gestank, blind von Dunkelheit der Angst vor Verlust, beschränkt durch ein Klotz am Bein und einem Brett vor der Stirne, die schwer unter dem großflächigen Hut zu finden ist, schon sie keiner sehen will, duschen im Lichtglanz ihres Ruhmes.

Die, die bei mir sind, sind die, die wirklich Wert haben.

Unten ist ein anderes Wort für oben, moralisch gesehen, beide sind Brüder der falschen Gedanken und geheuchelten Traditionen. Modernde moderne Leute, Personen und Menschen wetteifern untereinander um die Gunst derer, die frei sind. Frei ist niemand, der auf Gunst und Ehre sich was gibt.

Was tut ihr so gefühlsverdrossen? Die Vernunft schmückt euch als weise Menschen und gibt euch allzu oft recht, die, die ihr im Unrecht seid. Weise ist das, was euch fehlt, denn ihr denkt nicht frei. Kategorien von Sinn, Zweck, Nutzen, Ertrag, Investitionen, Gewinn, Verlust, Geld. Geld Geld Geld. Das ist euer Gott! Da ist er auch selber Schuld, wenn Gott euch ach so weise macht. Das Leben, unserer wahrster Herr, ist tot, denn ihr habt es getötet, das Leben ist pleite, outsourced, insolvent. Das Leben kann den Preis, den ihr, ihr Wucherer der königlichen Garde der Großaktionäre, die sich in die Evolution einkauften, damals, als Gott pleite war, denn der denkt genau wie ihr, weil ihr ihn erfunden habt, nicht bezahle. Zahl! Zahlen! Fakten! Das sind die neuen Götzen an deren Füßen ihr um euer Seelenheil zu bitten sucht. Saugt die Milch der lila Kuh, die euch vergiftet die kommerzialisierten Wünsche der Kinder und Kindeskinder! Gott hungert, denn ihr lasst ihm nichts, was er braucht. Auch Götter sterben, seid euch dem gewahr!

Das ist meine Plötzlichkeit.

Sonntag, Juni 24, 2007

Was ist Freundschaft?

Es ist für Menschen einfach, festzulegen, wer ein Feind ist. Denn ein Feind ist seit jeher derjenige, der dem betroffenen Menschen etwas Negatives will. Doch Freunde? Die meisten Freundschaften liegt ein Vertrauensverhältnis zu Grunde, welches irgendwann einmal entstanden sein muss. Doch warum fassen Menschen zu einigen ein tieferes Vertrauen als zu anderen und warum zu dritten gar keines? Auch hier gibt es Differenzierungen, um einiges kompliziertere als bei den Feindschaften.

Denn bei diesen ist es eindeutig definiert: jemand, der mir etwas Schlechtes will, ist mein Feind. Doch wann beginnt Freundschaft, wann endet Bekanntschaft? Ist Bekanntschaft das, was mehr ist als Gleichgültigkeit? Und was ist mit dem natürlichen Misstrauen, das jedem Menschen inne wohnt?

Wenn man die Basis einer Freundschaft betrachtet, also das vorliegende Vertrauensverhältnis, so muss auch der Umstand dieser Basis, und auch der Grund, aus welcher dieses entstanden ist, betrachtet werden. Freundschaften entstehen, meist aus äußeren Umständen, da wir, wenn wir die ersten, meist endgültigen, Freundschaften schließen, noch nicht fähig sind, sie gezielt auszuwählen. (Da wir charakterlich noch nicht so ausgeprägt sind, als dass wir aufgrund von charakterlichen Grundgegebenheiten (Hobbys etc.) uns die Freunde aussuchen würden, vielmehr werden wir zu Gemeinsamkeiten erzogen) Wir können also nicht viel für die uns begleitenden Freundschaften. Ebenso ist es, wegen dieser Willkür, auch ausgeschlossen, dass ein absolutes, also ein vorherbestimmtes Freundschaftsverhältnis entsteht.

Für gewöhnlich wird eine Freundschaft an ihrer Dauer und ihrer Ausprägung von Vertrauen gemessen. Dies sind die zwei Parameter, die eine Freundschaft "wertvoll" werden lassen. Jetzt ist es zu hinterfragen, inwieweit diese beiden Parameter auch den wirklichen Wert einer Freundschaft angeben.

Die Dauer einer Freundschaft wird in höherem Maße als Zeichen einer wertvollen Freundschaft gesehen, da sie beweisbar ist. Das Vertrauen, das in einer Freundschaft vorherrscht, wird als idealistisches Maß herangezogen, welches nicht nur nicht beweisbar, sondern auch oft bei beiden Freunden eine unterschiedliche Ausprägung hat. So kommt es vor, dass in einer Freundschaft der eine dem anderen mehr vertraut als umgekehrt. Dass das natürlich nicht zugegeben wird, versteht sich fast von selbst, da in einer Freundschaft die Reflektion über die Freundschaft selbst normalerweise kein Thema ist. Man spricht halt nicht gern, selbst in Freundschaften, über Dinge wie Vertrauen zu anderen Menschen im Allgemeinen. Dass die Dauer einer Freundschaft nicht als ein Maß für den Wert einer Freundschaft herangezogen werden kann, zeigt sich dadurch, dass selbst Freundschaften, die Jahrzehnte hielten, ohne weiteres auseinander brechen können. (es gibt auch historische Beispiele dafür, die allerdings als Beispiele keine Beweiskraft hätten) die Dauer einer Freundschaft bemisst also in keinster Weise den Wert einer Freundschaft, führt jedoch dazu, aus dem reinen Konservativismus des Menschen heraus, dass diese Freundschaft als wichtig und teilweise unersetzbar angesehen wird. Je länger die Freundschaft, um so höher der Druck des Zusammenbleibens beider Beteiligten.

Vertrauen in einer Freundschaft ist also als letzter Parameter übriggeblieben. Dieser ist jedoch kein zuverlässiger, weil, wie oben erwähnt, er weder belegbar noch vertrauenswürdig ist. Freundschaften festigen sich erst mit dem Austausch von Persönlichem und dem Erfahren von gemeinsamen und gemeinsam vollbrachten Erlebnissen. (dies ist oft ein Thema bei Spielfilmen und Romanen etc.) Die gemeinsame und intensive Erfahrung lässt den Anschein erwecken, dass dadurch die beiden Personen ein gemeinsames Vertrauensverhältnis haben. (dabei fällt es den meisten nicht auf, dass diese gemeinsamen Erfahrungen keineswegs das Vertrauen des anderen voraussetzen, da es in den meisten Fällen sowieso nur darum geht, durch Mithilfe des anderen den eigenen Vorteil zu maximieren) dieses Schema lässt sich auch auf den weiteren Verlauf einer Freundschaft übertragen, da man sich austauscht nach dem Prinzip von Geben um zu Nehmen. Ich muss erst investieren, um danach meine Vorteile daraus zu ziehen.

Darauf muss es hinaus laufen: die Entwertung jeder Freundschaft aufgrund der Egoismen eines jeden in uns. Wie kann ich, wie soll ich, wie darf ich einer Freundschaft vertrauen, wenn ich doch genau vor Augen habe, dass mir mein Gegenüber nur zuhört, damit ich ihm zuhöre. Wie soll es anders in anderen Situationen sein? Mein Freund hilft mir bloß dann, wenn ich ihm auch helfe. Ich "schulde" ihm dann einen Dienst. Das wird dann soweit ins absurde ('beste Freundschaften') getrieben, dass undurchsichtig ist, wer wem welchen Dienst, welche Hilfe erwiesen hat und so ein auseinander dividieren dieser unmöglich wird. Man ist nun emotional geknechtet: Ich habe mit jemandem Freundschaft gemacht, dem ich nicht vertrauen kann, und der mir nicht vertrauen kann, der wegen seiner Bedürfnisse meine Zeit & Freiheit raubt und ich ihm, wegen meiner Bedürfnisse, und sich letztendlich dadurch in einer Abhängigkeit zu mir begibt, und umgekehrt.

Freundschaften bedürfen ein konsequentes Sich-Begegnen auf geistiger Ebene, was durch die neuen Kommunikationsmöglichkeiten wie Internet und Mobilfunk stark gefördert wird. Es müssen also auch die "Wellenlängen" ähnlich sein, damit eine Freundschaft zustande kommt. Dies täuscht: Denn wo gleiche Wellenlängen vermutet werden, herrscht eigentlich ein Gleichmachen. Freundschaften entstehen gewiss nicht durch die gleichen Charaktere der Bekannten (was der Vor-Zustand von Freundschaft ist, Freundschaft muss durch ein Ereignis entstehen, wie oben erläutert), sondern durch die Bereitschaft, sich anzugleichen. Es gibt ein paar Schnittstellen, gemeinsame Interessen wie Freizeitgestaltung (Bücher, Musik o.ä.) die dazu anregen, sich zu nähern. Dann vollzieht sich der Prozess des Freunde-Werdens. Eine Abhängigkeit von dem anderen entsteht, wird freundet sich mehr und mehr oder – oder durchbricht die Abhängig oder hält diese still, wobei dies nur dann geschieht, wenn man sich ander-weitig in einer engen Beziehung befindet. Daher „stürzen“ sich einige Menschen geradezu auf andere, wollen einen viel engeren Kontakt zu dem Gegenüber als dieser. Das geschieht früh und früher, dadurch, dass schon im Kindergartenalter einige Freundschaften ungleich laufen, wenn nicht sogar die meisten: der eine bestimmt, der andere führt aus. Platonische Liebe gibt es also in den seltensten Fällen, eher niemals in „natürlich entstehender Freundschaft“, erst durch das erwähnte Gleichmachen des jeweils anderen und der damit verbundenen, trügerischen, weil als wertvoller Charakter einer Freundschaft hervorgehoben, Eigenschaft der Harmonie zwischen diesen beiden Menschen. Feindschaft ist die produktivste Form allen menschlichen Zusammenseins. Konkurrenz treibt den Fortschritt vor sich her.

Betrachten wir den Menschen, so betrachten wir seine Beziehungen zu anderen Menschen. Betrachten wir seine Beziehungen zu anderen Menschen, so stellen wir fest, dass das Wort Zweisamkeit das sowohl am stärksten gewünschte als auch das am stärksten vertretene ist. Daraus schließen wir, dass die Zweisamkeit die erstrebte und teilweise erreichte Form des Zusammenlebens ist. (Selbst in einem Harem gibt es die „erste Frau“)

Freundschaften sind zumeist auch von diesem Phänomen betroffen. Zwar gibt es Freundescliquen, weil festgestellt wurde, dass man in Gruppen mehr Spaß haben kann, aber die Form des „besten Freundes“ ist die Form der Freundschaft, die bei persönlichen, spaßlosen Problemen am besten wirkt, wodurch die oben erwähnten Verstrickungen in Abhängigkeiten und „Zuhörschulden“ entstehen und so weiter. Die Form der Zweisamkeit hat also den größten Erfolg. Quantitativer Vorrang.

Betrachten wir den Menschen, so betrachten wir seine Beziehung zu anderen Menschen. Betrachten wir seine Beziehungen zu anderen Menschen, so stellen wir fest, dass das Wort Liebe das sowohl am stärksten gewünschte als auch das am stärksten vertretene ist. Wir folgern, dass Liebe das Höchste und doch Tiefste zwischen Menschen ist. Da wir im Absatz vorher die Zweisamkeit als die gewollte Form herausgestellt haben, attestieren wir der Liebe ein bloß doppelt gestelltes Vermögen, Liebe wirkt nur zwischen zwei Menschen. Wenn wir von der Freudschen Bedeutung der menschlichen Beziehungen ausgehen, als Mittel des Sexualtriebes sich selber aufrecht zu erhalten, so gelangen wir zu der Einsicht, dass eine Freundschaft zu einer Liebesbeziehung aufsteigen kann, mit dem einzigen Unterscheid, dass der Sexualtrieb nicht zwischen den beiden ausgelebt wird. Der qualitative Vorrang

Daraus schließe ich, dass Freundschaften überflüssig sind, wenn eine vollständige Liebesbeziehung vorhanden ist. Denn: Der quantitative Vorrang der Zweisamkeit wird bei beiden erfüllt – in Freundschaft wie in Liebschaften. Doch: Der qualitative Vorrang der Liebe schlägt die mögliche objektive Position der Freundschaft. Die Verhaltensbiologie liefert dazu die notwendigen Ergebnisse: Wir sind mehr Steinzeitmensch und so mehr Triebtäter als Vernunftperson. Als reine Vernunftmensch könnten wir auf beide Seiten, Liebe wie Freundschaft, verzichten und wären so von beiden befreit. Als im Innersten Trieb gesteuertes Wesen ist eine Freundschaft nicht mehr Wert als der, der uns selbst von der Hilfe des anderen profitieren lässt, eine Liebe, als aktiver Vollzug der Triebe, erfüllt so den naturgegebenen Zweck, welch immer er sein mag.