Sonntag, Juni 24, 2007

Was ist Freundschaft?

Es ist für Menschen einfach, festzulegen, wer ein Feind ist. Denn ein Feind ist seit jeher derjenige, der dem betroffenen Menschen etwas Negatives will. Doch Freunde? Die meisten Freundschaften liegt ein Vertrauensverhältnis zu Grunde, welches irgendwann einmal entstanden sein muss. Doch warum fassen Menschen zu einigen ein tieferes Vertrauen als zu anderen und warum zu dritten gar keines? Auch hier gibt es Differenzierungen, um einiges kompliziertere als bei den Feindschaften.

Denn bei diesen ist es eindeutig definiert: jemand, der mir etwas Schlechtes will, ist mein Feind. Doch wann beginnt Freundschaft, wann endet Bekanntschaft? Ist Bekanntschaft das, was mehr ist als Gleichgültigkeit? Und was ist mit dem natürlichen Misstrauen, das jedem Menschen inne wohnt?

Wenn man die Basis einer Freundschaft betrachtet, also das vorliegende Vertrauensverhältnis, so muss auch der Umstand dieser Basis, und auch der Grund, aus welcher dieses entstanden ist, betrachtet werden. Freundschaften entstehen, meist aus äußeren Umständen, da wir, wenn wir die ersten, meist endgültigen, Freundschaften schließen, noch nicht fähig sind, sie gezielt auszuwählen. (Da wir charakterlich noch nicht so ausgeprägt sind, als dass wir aufgrund von charakterlichen Grundgegebenheiten (Hobbys etc.) uns die Freunde aussuchen würden, vielmehr werden wir zu Gemeinsamkeiten erzogen) Wir können also nicht viel für die uns begleitenden Freundschaften. Ebenso ist es, wegen dieser Willkür, auch ausgeschlossen, dass ein absolutes, also ein vorherbestimmtes Freundschaftsverhältnis entsteht.

Für gewöhnlich wird eine Freundschaft an ihrer Dauer und ihrer Ausprägung von Vertrauen gemessen. Dies sind die zwei Parameter, die eine Freundschaft "wertvoll" werden lassen. Jetzt ist es zu hinterfragen, inwieweit diese beiden Parameter auch den wirklichen Wert einer Freundschaft angeben.

Die Dauer einer Freundschaft wird in höherem Maße als Zeichen einer wertvollen Freundschaft gesehen, da sie beweisbar ist. Das Vertrauen, das in einer Freundschaft vorherrscht, wird als idealistisches Maß herangezogen, welches nicht nur nicht beweisbar, sondern auch oft bei beiden Freunden eine unterschiedliche Ausprägung hat. So kommt es vor, dass in einer Freundschaft der eine dem anderen mehr vertraut als umgekehrt. Dass das natürlich nicht zugegeben wird, versteht sich fast von selbst, da in einer Freundschaft die Reflektion über die Freundschaft selbst normalerweise kein Thema ist. Man spricht halt nicht gern, selbst in Freundschaften, über Dinge wie Vertrauen zu anderen Menschen im Allgemeinen. Dass die Dauer einer Freundschaft nicht als ein Maß für den Wert einer Freundschaft herangezogen werden kann, zeigt sich dadurch, dass selbst Freundschaften, die Jahrzehnte hielten, ohne weiteres auseinander brechen können. (es gibt auch historische Beispiele dafür, die allerdings als Beispiele keine Beweiskraft hätten) die Dauer einer Freundschaft bemisst also in keinster Weise den Wert einer Freundschaft, führt jedoch dazu, aus dem reinen Konservativismus des Menschen heraus, dass diese Freundschaft als wichtig und teilweise unersetzbar angesehen wird. Je länger die Freundschaft, um so höher der Druck des Zusammenbleibens beider Beteiligten.

Vertrauen in einer Freundschaft ist also als letzter Parameter übriggeblieben. Dieser ist jedoch kein zuverlässiger, weil, wie oben erwähnt, er weder belegbar noch vertrauenswürdig ist. Freundschaften festigen sich erst mit dem Austausch von Persönlichem und dem Erfahren von gemeinsamen und gemeinsam vollbrachten Erlebnissen. (dies ist oft ein Thema bei Spielfilmen und Romanen etc.) Die gemeinsame und intensive Erfahrung lässt den Anschein erwecken, dass dadurch die beiden Personen ein gemeinsames Vertrauensverhältnis haben. (dabei fällt es den meisten nicht auf, dass diese gemeinsamen Erfahrungen keineswegs das Vertrauen des anderen voraussetzen, da es in den meisten Fällen sowieso nur darum geht, durch Mithilfe des anderen den eigenen Vorteil zu maximieren) dieses Schema lässt sich auch auf den weiteren Verlauf einer Freundschaft übertragen, da man sich austauscht nach dem Prinzip von Geben um zu Nehmen. Ich muss erst investieren, um danach meine Vorteile daraus zu ziehen.

Darauf muss es hinaus laufen: die Entwertung jeder Freundschaft aufgrund der Egoismen eines jeden in uns. Wie kann ich, wie soll ich, wie darf ich einer Freundschaft vertrauen, wenn ich doch genau vor Augen habe, dass mir mein Gegenüber nur zuhört, damit ich ihm zuhöre. Wie soll es anders in anderen Situationen sein? Mein Freund hilft mir bloß dann, wenn ich ihm auch helfe. Ich "schulde" ihm dann einen Dienst. Das wird dann soweit ins absurde ('beste Freundschaften') getrieben, dass undurchsichtig ist, wer wem welchen Dienst, welche Hilfe erwiesen hat und so ein auseinander dividieren dieser unmöglich wird. Man ist nun emotional geknechtet: Ich habe mit jemandem Freundschaft gemacht, dem ich nicht vertrauen kann, und der mir nicht vertrauen kann, der wegen seiner Bedürfnisse meine Zeit & Freiheit raubt und ich ihm, wegen meiner Bedürfnisse, und sich letztendlich dadurch in einer Abhängigkeit zu mir begibt, und umgekehrt.

Freundschaften bedürfen ein konsequentes Sich-Begegnen auf geistiger Ebene, was durch die neuen Kommunikationsmöglichkeiten wie Internet und Mobilfunk stark gefördert wird. Es müssen also auch die "Wellenlängen" ähnlich sein, damit eine Freundschaft zustande kommt. Dies täuscht: Denn wo gleiche Wellenlängen vermutet werden, herrscht eigentlich ein Gleichmachen. Freundschaften entstehen gewiss nicht durch die gleichen Charaktere der Bekannten (was der Vor-Zustand von Freundschaft ist, Freundschaft muss durch ein Ereignis entstehen, wie oben erläutert), sondern durch die Bereitschaft, sich anzugleichen. Es gibt ein paar Schnittstellen, gemeinsame Interessen wie Freizeitgestaltung (Bücher, Musik o.ä.) die dazu anregen, sich zu nähern. Dann vollzieht sich der Prozess des Freunde-Werdens. Eine Abhängigkeit von dem anderen entsteht, wird freundet sich mehr und mehr oder – oder durchbricht die Abhängig oder hält diese still, wobei dies nur dann geschieht, wenn man sich ander-weitig in einer engen Beziehung befindet. Daher „stürzen“ sich einige Menschen geradezu auf andere, wollen einen viel engeren Kontakt zu dem Gegenüber als dieser. Das geschieht früh und früher, dadurch, dass schon im Kindergartenalter einige Freundschaften ungleich laufen, wenn nicht sogar die meisten: der eine bestimmt, der andere führt aus. Platonische Liebe gibt es also in den seltensten Fällen, eher niemals in „natürlich entstehender Freundschaft“, erst durch das erwähnte Gleichmachen des jeweils anderen und der damit verbundenen, trügerischen, weil als wertvoller Charakter einer Freundschaft hervorgehoben, Eigenschaft der Harmonie zwischen diesen beiden Menschen. Feindschaft ist die produktivste Form allen menschlichen Zusammenseins. Konkurrenz treibt den Fortschritt vor sich her.

Betrachten wir den Menschen, so betrachten wir seine Beziehungen zu anderen Menschen. Betrachten wir seine Beziehungen zu anderen Menschen, so stellen wir fest, dass das Wort Zweisamkeit das sowohl am stärksten gewünschte als auch das am stärksten vertretene ist. Daraus schließen wir, dass die Zweisamkeit die erstrebte und teilweise erreichte Form des Zusammenlebens ist. (Selbst in einem Harem gibt es die „erste Frau“)

Freundschaften sind zumeist auch von diesem Phänomen betroffen. Zwar gibt es Freundescliquen, weil festgestellt wurde, dass man in Gruppen mehr Spaß haben kann, aber die Form des „besten Freundes“ ist die Form der Freundschaft, die bei persönlichen, spaßlosen Problemen am besten wirkt, wodurch die oben erwähnten Verstrickungen in Abhängigkeiten und „Zuhörschulden“ entstehen und so weiter. Die Form der Zweisamkeit hat also den größten Erfolg. Quantitativer Vorrang.

Betrachten wir den Menschen, so betrachten wir seine Beziehung zu anderen Menschen. Betrachten wir seine Beziehungen zu anderen Menschen, so stellen wir fest, dass das Wort Liebe das sowohl am stärksten gewünschte als auch das am stärksten vertretene ist. Wir folgern, dass Liebe das Höchste und doch Tiefste zwischen Menschen ist. Da wir im Absatz vorher die Zweisamkeit als die gewollte Form herausgestellt haben, attestieren wir der Liebe ein bloß doppelt gestelltes Vermögen, Liebe wirkt nur zwischen zwei Menschen. Wenn wir von der Freudschen Bedeutung der menschlichen Beziehungen ausgehen, als Mittel des Sexualtriebes sich selber aufrecht zu erhalten, so gelangen wir zu der Einsicht, dass eine Freundschaft zu einer Liebesbeziehung aufsteigen kann, mit dem einzigen Unterscheid, dass der Sexualtrieb nicht zwischen den beiden ausgelebt wird. Der qualitative Vorrang

Daraus schließe ich, dass Freundschaften überflüssig sind, wenn eine vollständige Liebesbeziehung vorhanden ist. Denn: Der quantitative Vorrang der Zweisamkeit wird bei beiden erfüllt – in Freundschaft wie in Liebschaften. Doch: Der qualitative Vorrang der Liebe schlägt die mögliche objektive Position der Freundschaft. Die Verhaltensbiologie liefert dazu die notwendigen Ergebnisse: Wir sind mehr Steinzeitmensch und so mehr Triebtäter als Vernunftperson. Als reine Vernunftmensch könnten wir auf beide Seiten, Liebe wie Freundschaft, verzichten und wären so von beiden befreit. Als im Innersten Trieb gesteuertes Wesen ist eine Freundschaft nicht mehr Wert als der, der uns selbst von der Hilfe des anderen profitieren lässt, eine Liebe, als aktiver Vollzug der Triebe, erfüllt so den naturgegebenen Zweck, welch immer er sein mag.

1 Comments:

Blogger Tiuri said...

Es kommt der Tag an dem ich einen Blog-Eintrag von Dir komplett verstehen bzw. begreifen werde - fragt sich nur wann... :D

Trotzdem mal wieder sehr interessante Ausführungen!!

10:57 PM  

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